Selbstfürsorge im Ehrenamt

Widerstandfähigkeit im Ehrenamt hängt von unseren Ressourcen und denen der Organisation ab, auch die Motivation und Einstellung spielen dabei eine bedeutsame Rolle.
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Ehrenamt © Markus Winkler auf Pexels
Resilienz wurde in der Psychologie lange Zeit als psychische Widerstandsfähigkeit definiert. Kinder, die sich trotz widriger Umstände normal entwickelten, galten als resilient. Resilienz wurde als ein Mix an Persönlichkeitseigenschaften betrachtet, die Menschen befähigen, mit traumatischen Ereignissen gut umzugehen und zur Normalität zurückzukehren. Inzwischen definiert man Resilienz nicht mehr als Eigenschaft, sondern als einen Prozess der sich zwischen uns und unserer Umwelt abspielt (Kaplan 2002, Juen et al, 2013). Lepore und Revenson (2006) haben drei Dimensionen der Resilienz konzipiert: Erholung bedeutet das  Wiederaufstehen nach widrigen Erfahrungen, die Rückkehr zum normalen Funktionieren,  Widerstandsfähigkeit bezieht sich auf die Stressresistenz, bzw das Ausmaß an Widrigkeit, das ein System aushält, bevor es seine Funktionsfähigkeit verliert. Die dritte Dimension beschreibt Resilienz als Wachstum und die Fähigkeit aus widrigen Erfahrungen zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
 
Unsere Widerstandfähigkeit im Ehrenamt hängt von unseren Ressourcen und denen der Organisation ab, auch die Motivation und Einstellung zum Ehrenamt spielen dabei eine bedeutsame Rolle. Die Motivation zur Freiwilligenarbeit ist vielfach untersucht worden. Motivation ist der Hauptfaktor, der Langzeitfreiwillige von denen unterscheidet, die sich frühzeitig entscheiden wieder aufzuhören. Selbstorientierte Motivation ist typisch am Anfang. Diejenigen, die die Tätigkeit sehen als Gelegenheit etwas zu lernen und sich weiterzuentwickeln blieben länger dabei. Damit man aber dauerhaft dabei bleibt, müssen andere weniger selbstzentrierte Motivationen dazukommen Nur wenn Ehrenamtlichkeit Teil der Identität wird, bleibt man dabei und genau das ist auch der “Schutz” und die Voraussetzung für Wachstum (Neely et al, 2022).
 
Das Team ist eine der Hauptressourcen für Ehrenamtliche. Daher ist der Teamzusammenhalt eine der wichtigsten zu fördernden Variablen.
 
Teamzusammenhalt wird gefördert durch ein gemeinsames Ziel, Gruppen Identität, geteilte positive und negative Emotionen während der Tätigkeit  (was wir gemeinsam durchgemacht/erlebt haben), gegenseitige Abhängigkeit Jede braucht die andere(n) um das gemeinsame Ziel zu erreichen (wie sehr wir uns aufeinander verlassen können)( Petersen & Botha 2021). Aber auch die Organisation muss Ressourcen bereitstellen damit Ehrenamtliche resilient sein können. Zum Beispiel Versicherung, Entschädigung für Ausgaben während der Tätigkeit , passende Infrastruktur um ihre Aufgaben zu erfüllen, angemessene Information (über ihre Tätigkeiten, Aufgaben und Rollen sowie deren Umfang), angemessene Ausbildung, sichere und gesunde Arbeitsumgebung, Anerkennung, Zertifikate um ihren Beitrag zu würdigen Haftpflichtversicherung (Inter-Parliamentary Union, IFRC & UN Volunteers, 2004, p. 21)
Zur Erholungsfähikeit gehört unsere Fähigkeit unsere Ressourcen zu nutzen um wieder funktionsfähig zu werden. Wichtige Fähigkeiten sind das Nutzen ritueller Handlungen (z.B. “Zigarettenpause“, Tagesabschluss), Abgrenzung (z.B. Nein sagen, eigenen Raum schaffen, Selbstfürsorge als Termin in Kalender eintragen), Selbstaufmerksamkeit (Körper, Gedanken, Gefühle). Ressourcen, die uns helfen, uns zu erholen, sind zum Beispiel gute Orte, Tätigkeiten und Beziehungen. Dabei ist eine Anpassung von Ressourcen an den jeweiligen Stresslevel und die Art des Stress wesentlich (ausgepowert, aufgekratzt, leer, unterfordert).
 
Unsere Wachstumsfähigkeit wiederum hängt davon ab ob wir verstehen, was unsere Rollen und Aufgaben sind (Vertehbarkeit), ob wir die Fähigkeiten haben diese zu erfüllen und uns als wirksam zu erleben (Handhabbarkeit). Zudem müssen wir unsere Tätigkeit im Ehrenamt als sinnvoll einschätzen (Sinnhaftigkeit). Antonovski (1997) beschrieb das mit dem Begriff des Kohärenzsinns.


Ein Beitrag von Barbara Juen, Universität Innsbruck, Österr. Rotes Kreuz

Literatur

Antonovsky. A. (1997) Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Franke, Tübingen 1997.
Juen, B., Siller, H., Nindl, S., 2013. Resilienz als sozialer Prozess. Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik 49, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen: 238–251.
Kaplan, H. B. (2002). Toward an understanding of resilience: A critical review of definitions and models. Resilience and development: Positive life adaptations, 17-83.
Lepore, S., Revenson, T.A., 2006. Resilience and posttraumatic growth: recovery, resistance and reconfiguration. In Calhoun, L.G., Tedeschi, R.G. (Hrsg.), Handbook of posttraumatic growth: research and practice. Lawrence Erlbaum, Mahwah: 22–46.
Neely, A. R., Lengnick-Hall, M. L., & Evans, M. D. (2022). A process model of volunteer motivation. Human Resource Management Review32(4), 100879.
Pietersen, M., & Botha, M. (2021). Achieving coherence: towards a model of the nascent-stage behavioral dynamics of new venture teams. International Entrepreneurship and Management Journal17(3), 1261-1290.