Scheidung in der bäuerlichen Familie

In Österreich sinkt die Zahl der Scheidungen seit einigen Jahren kontinuierlich. So auch 2022 - wo sie mit knapp 33% um 3,5% niedriger ausfiel als im Jahr davor. Somit hat jede dritte Ehe keinen Bestand. Wenn dieser Fall eintritt, stehen wichtige Fragen zur Klärung an, wie etwa das Sorgerecht für gemeinsame, minderjährige Kinder, Unterhaltsansprüche oder die Aufteilung des ehelichen Vermögens. Bei bäuerlichen Familien, wo üblicherweise beide Ehepartner die Arbeit am Betrieb gemeinsam erledigen, gilt es auch die Abgeltung für die Arbeitsleistung zu klären, ebenso wie mit gemeinsam getätigten Investitionen verfahren wird.
Scheidung
Scheidung © Gerd Altmann auf Pixabay
Nach 27 Jahren Ehe lassen sich Helga und Franz scheiden. Er ist alleiniger Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebes, Geld wurde gemeinsam investiert, Helga hat jahrelang unentgeltlich am Hof mitgearbeitet. Worauf muss sie bei der Scheidung achten?
Helga sollte darauf achten, ob ihr Unterhalt zusteht, was in der Ehe gemeinsam geschaffen wurde und inwieweit eine Vermögensaufteilung zu erfolgen hat. Nach der Scheidung werden das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse aufgeteilt. Damit zusammenhängende Schulden sind abzuziehen. Das Gericht hat das Vermögen unter Berücksichtigung aller Umstände (Wer hat wieviel zum Ankauf beigetragen etc.) derart zu verteilen, dass sich die Lebensbereiche der Ex-Ehegatten künftig möglichst wenig berühren. Dabei sind vor allem die Mitarbeit beim Ehepartner, die Haushaltsführung, die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder zu berücksichtigen. Dinge zum persönlichen Gebrauch und Unternehmen (z.B. ein landwirtschaftlicher Betrieb, der im gemeinsamen Eigentum der Eheleute steht) können in diesem Verfahren nicht geteilt werden. Dafür ist, sofern keine einvernehmliche Lösung gefunden wird, eine Teilungsklage möglich. Die Ehewohnung bekommt in der Regel jener Elternteil zugewiesen, in dessen Haushalt die Kinder bleiben.

Nachehelicher Unterhalt

Je nach Vorliegen einer der anerkannten Scheidungsarten (einvernehmlich, aus Verschulden, aus anderen Gründen, Auflösung der häuslichen Gemeinschaft) gibt es unterschiedliche Unterhaltsregelungen. Der Unterhalt richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Eheleute. Wenn keine derartige Vereinbarung vorliegt, hängt der Unterhaltsanspruch für geschiedene Ehegatten grundsätzlich vom Verschulden (an der Zerrüttung der Ehe) ab. Unabhängig vom Verschulden kann aber bei jeder Art der Scheidung in Härtefällen ein "Bedarfsunterhalt nach Billigkeit" zugesprochen werden. Dies insbesondere dann, wenn einem der Partner aus Gründen, die in der Ehe wurzeln, nicht zugemutet werden kann, zu arbeiten. Dies ist etwa dann denkbar, wenn der Geschiedene ein gemeinsames Kind erzieht und ihm Arbeit deshalb nicht zumutbar ist. Dies wird bis zur Vollendung des 5. Lebensjahres des Kindes vermutet, kann aber auch länger gewährt werden, z.B. wenn das Kind krank und damit länger pflegebedürftig ist. Ein weiterer Fall des Bedarfsunterhalts liegt vor, wenn ein geschiedener Ehegatte jahrelang den Haushalt geführt oder die Kinder erzogen hat und nun wegen verpasster Aus- und Weiterbildung oder der Dauer der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt nicht in der Lage ist, eine Arbeitsstelle zu bekommen. Auch in derartigen Fällen kann dem geschiedenen Ehegatten als Ausgleich für die Opferung seiner Berufschancen Bedarfsunterhalt nach Billigkeit gewährt werden.

Bei der Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (faktische Trennung bereits seit mehreren Jahren) gibt es - neben dem gegebenenfalls möglichen Billigkeitsunterhalt - auch die sogenannte "Durchhalteprämie", die insbesondere für an der Zerrüttung schuldlose haushaltsführende Ehegatten interessant ist. Diese besagt, dass demjenigen, der die Scheidung nicht wollte, Unterhalt wie bei aufrechter Ehe gebührt, wenn das Gericht ausspricht, dass denjenigen, der die Scheidung begehrt, das alleinige oder überwiegende Verschulden trifft. Das bedeutet insbesondere, dass von dem „unschuldig Geschiedenen“ (auch wenn dies zumutbar wäre) keine andere Erwerbstätigkeit erwartet wird als jene, die er bereits während aufrechter Ehe hatte.

Üblicherweise beträgt der Unterhalt 33% des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen. Verdient der/die Berechtigte selbst etwas, erhält er/sie 40% des gemeinsamen Einkommens abzüglich des eigenen Verdienstes. Pro Unterhaltsberechtigtem Kind bzw. Ex-Ehegatten/in werden zwischen 1 bis 4% abgezogen. Dies gilt auch für die "Durchhalteprämie". Der zuvor beschriebene Bedarfs- bzw. Billigkeitsunterhalt ist jedoch geringer.

Obsorge für minderjährige gemeinsame Kinder

Eltern haben ihr minderjähriges Kind zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es zu vertreten. Wird die Ehe der Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes aufgelöst, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. Gleiches gilt bei der Trennung von Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren, wenn bereits während aufrechter Partnerschaft eine gemeinsame Obsorge bestand. Sie können jedoch den Gerichten eine Vereinbarung vorlegen, wonach ein Elternteil allein oder die Obsorge eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt wird.

Sind beide Eltern mit der Obsorge betraut, so ist jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten. Seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit dieser nicht einverstanden ist. Bestimmte Vertretungshandlungen (z.B. Namensänderung oder Kirchenaustritt) bedürfen der Zustimmung des anderen Elternteils, unter Umständen auch des Gerichtes (z.B. bestimmte Vermögensangelegenheiten).

Die Eltern haben gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Bedarf ihres Kindes - gemessen an den eigenen Lebensverhältnissen - gedeckt ist (sogenannter Unterhalt). Der Elternteil, der den Haushalt führt, leistet grundsätzlich dadurch seinen Beitrag. Der Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, muss Unterhalt zahlen. Kinder und Eltern haben das Recht auf regelmäßige persönliche Kontakte. Wenn sich die Eltern nicht einigen können oder, wenn einer der beiden eine Änderung der Obsorge beantragt, kann das Gericht einem Elternteil für einen Zeitraum von sechs Monaten die hauptsächliche Betreuung des Kindes in seinem Haushalt auftragen und dem anderen ein ausreichendes Kontaktrecht einräumen (entweder bei gemeinsamer oder alleiniger Obsorge). Nach dieser Testphase entscheidet das Gericht endgültig. Das Gericht kann auch die Familiengerichtshilfe als Besuchs(ver)mittler einsetzen. Bei maßgeblicher Änderung der Umstände kann jeder Elternteil jederzeit einen neuen Antrag auf Änderung der Obsorge oder des Kontaktrechts stellen.

Abgeltung der Arbeitsleistung

Inwieweit der/die weichende Ehepartner/in/Lebensgefährte/in Anspruch auf Abgeltung seiner/ihrer Arbeitsleistungen hat, hängt von den Umständen im Einzelfall ab. Es könnte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegen (es wurde gemeinsam entschieden und gearbeitet), eine zweckverfehlte Arbeitsleistung (weil einem etwas versprochen wurde), oder eine Mitwirkung im Erwerb des anderen. Kommt in dieser Frage keine Einigung zustande, empfiehlt sich die Zuziehung eines Rechtsanwalts.

Was passiert mit gemeinsamen Investitionen?

Grundsätzlich ist man gut beraten, bei Investitionen in Haus und Betrieb eine Dokumentation anzulegen. In der Praxis bietet sich ein Darlehensvertrag an, in dem auch festgelegt wird, innerhalb welcher Frist nach Fälligstellung das Geld zurückzuzahlen ist, und wie der Betrag ermittelt wird (Berücksichtig von Verzinsung oder Wertsicherung einerseits, Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Wohnmöglichkeit andererseits, etc.). Bei Investitionen in den Betrieb und einer gemeinsamen Betriebsführung entsteht zwischen den Partnern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; auch hier sollten schriftliche Vereinbarungen über die Modalitäten der Auflösung getroffen werden.
Weitere Informationen zu diesen und anderen Rechtsfragen finden Sie in der neuen Broschüre "Rechte der Frau in der Landwirtschaft", die unter www.baeuerinnen.at/rechtederfrau abrufbar und in allen Landwirtschaftskammern zu bestellen ist. Individuelle Anfragen beantworten die Rechtsexpert:innen in den Landwirtschaftskammern.

Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit der Rechtsabteilungen der LK Oberösterreich, Salzburg und Steiermark, dem LFI-Bildungsprojekt ZAMm unterwegs und der SVS erstellt.