Frauen als Hofnachfolgerinnen: Es ist Zeit für Anerkennung und Wandel

Traditionelle Rollenbilder prägen die Hofübergabe. Zwar führen Frauen rund jeden dritten Betrieb in Tirol, doch als direkte Nachfolgerinnen treten sie selten auf. Deshalb haben wir bei zwei Frauen in der Landwirtschaft nachgefragt:
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Johanna Feichtner © Allaweil

Johanna Feichtner, zukünftige Hofübernehmerin:

Oft übernehmen Frauen den Hof nur, wenn kein männlicher Erbe vorhanden ist - oder über Umwege wie Heirat. Es wird erwartet, dass der Sohn Interesse zeigt. Die Tochter, die womöglich dieselbe Leidenschaft hat, bekommt zu hören: “Sie kann ja einen Landwirt heiraten.“

Folgende Beispiele sind keine Einzelfälle und zugleich Anlass, es in Zukunft besser zu machen:
  • Frauen, die den Hof übernehmen wollen, stoßen oft auf Widerstand und gelten schnell als “herrisch“.
  • Bei Paaren mit zwei Höfen wird meist erwartet, dass die Frau ihren Hof aufgibt.
  • Behält die Frau nach einer Heirat ihren Geburtsnamen, um ihren Betrieb weiter unter diesem Namen zu führen, gilt sie als eigensinnig.
  • Kommt ein Bub als Geschwister eines Mädchens zur Welt, heißt es schon beim “Storch aufstellen“: Der nächste Bauer ist da. Dass auch die Tochter Interesse haben könnte, wird oft nicht einmal in Erwägung gezogen.
  • Bäuerinnen müssen sich fachlich wie persönlich besonders oft beweisen, um ernst genommen zu werden. Fragen stellen wird oft als Unwissen, statt Interesse gewertet.
Mein Fazit:
Weibliche Hofnachfolge darf nicht nur mitgedacht, sondern muss aktiv gefördert werden. Denn Landwirtschaft braucht Kompetenz und Herzblut - unabhängig vom Geschlecht. 
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Maria Pirnbacher © Victoria Hörtnagl

Maria Pirnbacher, Bäuerin:

Da ich das einzige Kind auf unserem Bauernhof war und Landwirtschaft eine meiner großen Leidenschaften ist, stellte sich die Frage nicht, wer den Hof übernehmen soll. Ich habe natürlich intensiv gemerkt, dass meine Eltern alles dafür gegeben hätten, noch einen männlichen Hofnachfolger zu bekommen - aber es wollte nicht sein. Irgendwann haben sie diese Tatsache akzeptiert und mich alles gelehrt, was man braucht, um einen Hof zu führen.

Von einer weiblichen Hofnachfolgerin wird aber nicht nur erwartet, dass sie sich in der Landwirtschaft bestens auskennt, nein: Sie muss selbstverständlich auch in das typische Rollenbild einer Bäuerin passen und alles rund um den Haushalt beherrschen. So war es klar, dass ich zuerst die Hauswirtschaftsschule besuchte und erst dann - als erstes Mädchen - 1989 die Ausbildung in der landwirtschaftlichen Fachschule absolvierte, die ich als Facharbeiterin und später mit dem Landwirtschafts-Meister abschloss. Als junge Frau haben mich Kommentare wie “Sie muass si hoid um an guadn Bauern schaung“ wahnsinnig geärgert. Mein Mann hat aber an der HAK maturiert und geht bis heute seiner Berufung als Buchhalter nach. Inzwischen ist er dennoch ein guter Bauer, hat meinen Familiennamen angenommen und wir haben gemeinsam mit unseren Kindern einen guten Weg gefunden, unseren Hof zu bewirtschaften.

Kurzum: Ich bin mir sicher, dass es keine Rolle spielt, ob Mädchen oder Burschen unsere Bauernhöfe weiterführen. Es ist höchste Zeit, dieses veraltete Denkmuster aufzubrechen - zum Wohl der Höfe und vor allem unserer Kinder.

Kommentar von Landesbäuerin Helga Brunschmid: Gefährliche Erwartungshaltungen

Auch wenn wir es nicht gerne zugeben: In der Landwirtschaft sind wir noch sehr in traditionellen Rollenbildern verhaftet. Männer sind von Natur aus stärker, belastbarer und leistungsfähiger und deshalb sind sie für die Führung einer Landwirtschaft besser geeignet als Frauen, so die überlieferte Meinung.

Doch hat diese Einstellung irgendeine Berechtigung?

Dass auch viele Männer mit ihrer Rolle überfordert sind, zeigt ein Bericht in der ORF-Sendung “Thema“, der betroffen macht: 60% der österreichischen Bauern sind gefährdet, an “Burnout“ zu erkranken. Neben zu viel Arbeit und wirtschaftlichen Sorgen ist es vor allem der Druck, Erwartungen nicht zu erfüllen und als schwach zu gelten, der krank macht. Bei Männern kommt dann noch dazu, dass viele nicht über Gefühle reden oder gar Hilfe annehmen können. Das ist in ihrer Rolle nicht vorgesehen. Wenn wir also in Zukunft noch Nachfolgerinnen oder Nachfolger haben wollen, die nicht unter der Last ihres Erbes krank werden, müssen wir als erstes von unseren Erwartungshaltungen abrücken.

Landwirtschaft braucht neben Wissen ganz viel Begeisterung und Leidenschaft, und die können durchaus auch Mädchen mitbringen. Darauf sollten wir achten, bevor die Hofnachfolge fixiert wird. Das ist definitiv zu früh, wenn der Storch aufgestellt wird.