Sozialpartner Kärntens und die Industriellenvereinigung Kärnten kämpfen gemeinsam für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Arbeiterkammer (AK), Wirtschaftskammer (WKO), Landwirtschaftskammer (LWK) und Industriellenvereinigung (IV) legen Forderungskatalog vor und unterzeichnen Brief an die Kärntner Landesregierung.
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: v.l.n.r.: ÖGB Landesfrauenvorsitzende Waltraud Rohrer, ÖGB Landesvorsitzender Hermann Lipitsch, WKK Vizepräsidentin Astrid Legner, LWK Vizepräsidentin Astrid Brunner, IV Geschäftsführerin Dr. Claudia Mischensky, AK Vorstandsmitglied Silvia Igumnov. © Peter Just

Dringender Handlungsbedarf

Kärntens Sozialpartner und die Industriellenvereinigung haben heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Forderungen zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ präsentiert. „Auch wenn wir oft unterschiedliche Positionen haben und diese manchmal medial austauschen, die Sozialpartnerschaft in Kärnten funktioniert und das ist richtig und wichtig“, so ÖGB Landesvorsitzender Hermann Lipitsch, für den die Partnerschaft enormen Stellenwert hat und sich gerade in der Krise wieder als stabiler Faktor bewiesen hat. „Im Bereich Vereinbarkeit Familie und Beruf herrscht dringender Handlungsbedarf, denn die Menschen stehen vor täglichen Herausforderungen. Wir benötigen den Ausbau von flächendeckenden, leistbaren und qualitätsvollen Kinderbetreuungsangeboten sowie die Aufstockung der finanziellen Mittel in diesem Bereich“, so Lipitsch. Bereits im Herbst 2020 haben die Sozialpartner im Kärntner Landtag ein Papier für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingebracht, nun geht es darum diesen Forderungen nochmals Nachdruck zu verleihen, denn für die Betroffenen ist es bereits 5 nach 12“, so Lipitsch.
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Kärntens Sozialpartner ziehen an einem Strang v.l.n.r.: ÖGB Landesfrauenvorsitzende Waltraud Rohrer, AK Vorstandsmitglied Silvia Igumnov, WKK Vizepräsidentin Astrid Legner, IV Geschäftsführerin Dr. Claudia Mischensky, LWK Vizepräsidentin Astrid Brunner, ÖGB Landesvorsitzender Hermann Lipitsch © Peter Just

Bis heute kein Rechtsanspruch

ÖGB Landesfrauenvorsitzende Waltraud Rohrer merkt an, dass schon im Jahr 1991 der Verfassungsgerichtshof (VfGH) festgestellt hat, dass es eine Angleichung beim Pensionsalter zwischen Männern und Frauen geben muss. „Heute, 32 Jahre später, können die Unterschiede noch immer nicht größer sein. Obwohl viel Positives in den letzten Jahrzehnten umgesetzt wurde, fehlen weiterhin wesentliche Reformschritte“, so Rohrer. Die Gleichbehandlungspakete, welche von den Bundesregierungen in den letzten drei Jahrzehnten verabschiedet wurden, fanden nur sporadische Umsetzung. Damals kannte man Forderungen noch unter dem Begriff „Doppelbelastung“, heute scheinen sie als „Vereinbarkeit“ auf. „Immer wieder höre ich die Argumente, dass man aufgrund der Doppelbelastung als Frau früher in Pension gehen kann. Doch unter welchen Bedingungen? Es fehlen die Pensionszeiten, von den finanziellen Auswirkungen gar nicht zu sprechen“, zeigt Rohrer die dramatische Situation auf. Im Jahr 2007 gab es erstmals eine 15a Vereinbarung zum Ausbau der Kinderbetreuung für unter 3jährige, aus welcher bis heute kein Rechtsanspruch entstanden ist. „Die Pandemie hat uns die Lücken und Schwächen des Systems drastisch vor Augen geführt. Wir müssen unseren Lebens – und Wirtschaftsstandort mit qualitativ, hochwertiger Kinderbildung sichern. Kinderbetreuung und Kinderbildung sind nicht der Schlüssel zur Behebung des Problems, sondern ein ganzer Schlüsselbund“, so Rohrer.
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© Friederike Parz

Betreuungszeiten müssen flexibler gestaltet werden

„Immer mehr Frauen arbeiten als top ausgebildete Fachkräfte für Kärntens Unternehmen“, so Astrid Legner, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Kärnten und Landesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, die Rahmenbedingungen rund um die Kinderbetreuung zu optimieren. Legner betont: „Frauen, die Karriere- und Familienplanung parallel verwirklichen wollen, müssen optimal unterstützt werden. Wir werden unsere Mitarbeiterinnen und auch den Nachwuchs an Fachkräften in Zukunft mehr denn je brauchen.“ Deshalb setze man sich für einen Rechtsanspruch für Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr ein. „Frauen müssen die Möglichkeit haben, problemlos wieder ins Berufsleben einsteigen zu können. Der Rechtsanspruch bedeutet nicht, dass jedes Kind tatsächlich einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr benötigt. Aber der Bedarf muss erhoben und das Angebot geschaffen werden“, fordert Legner. Weiters müssen Betreuungszeiten flexibler gestaltet werden. Konkret brauche man Angebote, die auch tageweise, zu Randzeiten oder an Wochenenden verfügbar sind. Und schließlich wird man sich Gedanken über neue Wege und Kooperationen machen müssen: Durch die Zusammenarbeit mit den Gemeinden in Tourismusregionen könnten beispielsweise flexible Angebote geschaffen werden, um Unternehmerinnen und Beschäftigte am Wochenende zu entlasten.

Ausbildung auf neue Beine stellen, Barcelona – Ziel endlich umsetzen

Silvia Igumnov, Vorstandsmitglied der AK Kärnten sieht dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Kleinkindpädagogik. „Wir haben in Kärnten ein gutes System von Tagesmüttern, Betriebstagesmüttern und Kindertagestätten, es ist jedoch wichtig im Bereich der Kleinkindbetreuung in Zukunft ausreichend Personal zur Verfügung zu haben. Deshalb ist es dringend notwendig die Rahmenbedingungen und das Gehalt zu verbessern“, zeigt Igumnov auf. Ohne die Tagesmütter und KleinkindpädagogInnen würden Kärntens Gemeinden keine flächendeckende Kinderbetreuung zustande bringen. „Wir brauchen nicht nur Anerkennung in Form von Wortspenden, sondern endlich auch eine faire und gerechte Entlohnung dieser wertvollen Tätigkeiten“, fordert Igumnov. Die KleinkindpädagogInnen leisten hervorragende Arbeit, diese muss durch eine qualitativ hochwertige Ausbildung der KleinkindpädagogInnen in Kärnten unterstützt werden. „Es müssen außerdem Anreize geschaffen werden, damit die Kolleginnen und Kollegen auch eine finanzielle Absicherung während der Ausbildungszeit haben. Das Land Kärnten wird aufgefordert, dringend das festgelegte Barcelona – Ziel von 33% Betreuungsgrad der unter 3jährigen umzusetzen, derzeit stehen wir noch immer bei 25%“, so Igumnov.
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Astrid Brunner (LWK Vizepräsidentin) unterschreibt © Friederike Parz

Abwanderung im ländlichen Raum stoppen

Für die Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Kärnten, Astrid Brunner, ist die flächendeckende Kinderbetreuung ein wesentliches Element, um den ländlichen Raum zu stärken damit es für Familien attraktiver wird, sich dort anzusiedeln und den Eltern die Wahlfreiheit zu ermöglichen. „Es wandern mehr, meist gut ausgebildete Frauen, als Männer aus ländlichen Räumen ab, da sie keine adäquaten Arbeitsplätze vorfinden. Um dies zu stoppen bzw. die Rückkehr zu forcieren, braucht es nicht nur attraktive Arbeitsplätze, sondern auch eine gut ausgebaute Kinderbetreuung“, so Brunner. Brunner sieht erhöhten Kinderbetreuungsbedarf im ländlichen Raum. Speziell das Betreuungsangebot durch Tageseltern ist eine wichtige Ergänzung und eine Möglichkeit für die Bäuerinnen sich hierin ein Standbein aufzubauen. „Eltern müssen auch eine echte Wahlfreiheit haben, ob sie bei Bedarf ihre Kinder in die Betreuung geben oder nicht. Für mich als Mutter von drei Kindern steht die innerfamiliäre Kinderbetreuung in den ersten Jahren an erster Stelle“, merkt Brunner an. Es gibt jedoch viele familiäre Situationen, Herausforderungen und Bedürfnisse die das nicht zulassen. Hier muss es auch im ländlichen Raum möglich sein, seine Kinder gut betreut zu wissen. Eine echte Wahlfreiheit besteht nur dann, wenn ich wählen kann und keine Kompromisse eingehen muss.

Ausbildungsoffensive und Förderung im MINT – Bereich

Claudia Mischensky, Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Kärnten, fordert eine Ausbildungsoffensive für PädagogInnen im Bereich der frühen Bildung von Kindern in quantitativer aber vor allem qualitativer Hinsicht. „Der Ausbau von Kindergartenplätzen funktioniere nämlich nicht ohne genügend qualifiziertes Personal. Österreich finde sich unter den rückständigsten Nationen Europas, was das minimale Qualifikationsniveau von ElementarpädagogInnen betreffe. Die 150 zusätzlichen Kollegausbildungsplätze, die der Bund für das Jahr 2021/22 in Aussicht gestellt habe, seien ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Mischensky. In Kärnten werde diese Ausbildung im übrigen gar nicht angeboten. Vielmehr müsse dringend ein öffentlich finanziertes Bachelor-Studium etabliert werden. „Neben der Ausbildungsfrage sei auch der Beruf selbst attraktiver zu machen. Zur größeren gesellschaftlichen Wertschätzung müssten Hard-Facts wie kleinere Gruppengrößen, mehr Vorbereitungszeiten, vor allem aber eine adäquate Entlohnung kommen“, fordert Mischensky. Zuletzt betont Mischensky, wie wichtig es sei, in einer modernen Wissensgesellschaft schon im Kleinkindalter die Begeisterung besonders im MINT-Bereich zu fördern. „Hier gehe es um spielerische Beschäftigung mit Naturwissenschaft und Technik, wie das etwa paradigmatisch in den rund 50 Kärntner Forscherkindergärten umgesetzt werde. Sie orientieren sich an pädagogischen Konzepten von Daniela Wrumnig und werden von Junger Industrie und Raiffeisen unterstützt“, so Mischensky.

Rückfragen:

Michael Raunig, ÖGB Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
0664/6145043 oder michael.raunig@oegb.at

Mag. Tanja Telesklav, Frau in der Wirtschaft
0676/885868731 oder tanja.telesklv@wkk.or.at

Ferdinand Hafner, AK Öffentlichkeitsarbeit
0664/8134887 oder ferdinand.hafner@akktn.at

Ing. Mag. Friederike Parz, Landwirtschaftskammer
0463/5850 – 1390 oder friederike.parz@lk-kaernten.at

Gilbert Waldner, Industriellenvereinigung Kärnten
0463/55615 – 16 oder gilbert.waldner@iv.at