Wo eine Tür zufällt, geht eine andere auf
Diversifizierung ist für viele Bäuerinnen in
Österreich kein Fremdwort mehr. In einer Studie
wurde erhoben, wie es etwa mit Ab Hof-Verkauf,
Schule am Bauernhof oder Dienstleistungen über
den Maschinenring gelingt, das betriebliche
Einkommen zu verbessern.
Betreiben Sie einen Ab
Hof-Verkauf oder eine
Buschenschank? Bieten
Sie Urlaub am Bauernhof
oder Schule am Bauernhof
an? Sind Sie Dienstleister
über den Maschinenring? Wenn
Sie auf eine dieser Fragen mit
„Ja“ antworten können, dann
hat der Begriff „Diversifizierung“
für Sie schon eine konkrete Bedeutung.
In wissenschaftlicher
Ausdrucksweise handelt es sich
dabei um „eine Strategie, die
über das klassische Geschäftsmodell
der Land- und Forstwirtschaft
hinausgeht und betriebliche
Ressourcen aktiv mit dem
Ziel nutzt, eine höhere Wertschöpfung
für den Unternehmerhaushalt
zu erzielen.“
Direktvermarktung und Maschinenring
Um die Bedeutung der Diversifizierung
für die bäuerlichen
Betriebe zu ergründen, haben
das Ländliche Fortbildungsinstitut
und die Bäuerinnen Österreich
eine Studie in Auftrag
gegeben, deren Ergebnisse nun
vorliegen (siehe Kasten). Das
Feld der Diversifizierung ist ein
sehr weites. Neben den bereits
genannten Beispielen zählt auch
die Tätigkeit als Seminarbäuerin
zur Diversifizierung genauso
wie betriebsbezogene soziale
Dienstleistungen, z. B. im
Rahmen von Green Care oder
der Betrieb von Biogas- oder
Hackgutanlagen und auch
Schnitt und Verarbeitung von
Holz aus dem eigenen Wald.
Tätigkeiten wie reine Lohnarbeit
oder Nebenerwerb fallen nicht
unter Diversifizierung, weil hier
die Betriebsbezogenheit fehlt.
Die in Österreich mit Abstand
am wichtigsten Zweige der Diversifizierung
sind laut Studie
die Direktvermarktung, Tätigkeiten
über den Maschinenring
einschließlich MR-Service und
die Zimmervermietung im Rahmen
von Urlaub am Bauernhof.
Fragt man nach der Bedeutung
der Diversifizierung für das Einkommen,
so wird man überblicksweis e
in den Buchführungsergebnissen
fündig (Werte
2017).
Im Mittel rund 10.000 Euro mehr Einkommen
Demnach wurde im Bundesmittel
über alle Sparten der
Diversifizierung ein Ertrag von
9.921 Euro (exkl. USt.) erwirtschaftet.
Dies entspricht einem
Anteil von 9,3 % am Ertrag insgesamt.
Auf die Sparte Direktvermarktung
(Urprodukte und be-/verarbeitete
Produkte) entfielen
41,6 % der gesamten Erlöse, auf
Transport- und Maschinenleistungen
21,6 % und auf Urlaub
am Bauernhof, Heuriger und
Buschenschank je ca. 15 %.
Zu beachten ist, dass Diversifizierung
typischerweise in Dauerkulturbetrieben
und hier
speziell im Weinbau zu finden
ist. Seltener eine Rolle spielt Diversifizierung
in Betrieben mit
Schweine- oder Geflügelhaltung.
Der Vergleich der Einkommen
zwischen Betrieben mit und
ohne Diversifizierung belegt,
dass diversifizierende Betriebe
wettbewerbsfähig agieren. Im
Schnitt weisen Betriebe mit Diversifizierung
höhere Einkommen
je Betrieb und je landwirtschaftlich
genutzter Fläche aus.
Dafür muss aber auch mehr
gearbeitet werden, die Einkommen
je Arbeitskraft liegen daher
teilweise unter jenen ohne Diversifizierung.
Diversifizierung
kann demnach vor allem dann
das Überleben als Haupterwerbsbetrieb
sichern, wenn freie
Arbeitskapazitäten vorhanden
sind, anderweitige Wachstumsmöglichkeiten
aber begrenzt
sind.
Laut der im Rahmen der Studie
durchgeführten Online-Befragung
hat mehr als die Hälfte der
Befragten den neuen Betriebszweig
selbst aufgebaut. Nur bei
Urlaub am Bauernhof hat ein
größerer Anteil bereits vorhandene
Aktivitäten übernommen
und fortgeführt. Interessant –
rund zehn Prozent starteten als
Quereinsteiger. Insgesamt kann
eine hohe Zufriedenheit attestiert
werden, denn 23 % der Befragten
sind damit sehr, 47 %
eher zufrieden.
Bürokratie und Arbeit sind Hemmschuhe
Zu den größten Herausforderungen
in der Diversifizierung
zählen Vorschriften und Bürokratie
(für 50 % voll zutreffend),
hoher Zeitaufwand und Arbeitsbelastung
(39 %), verlässliches
Personal zu finden (29 %), Wirtschaftlichkeit
(21 %) und Kundinnen
bzw. Kunden zu finden
und zu binden (20 %).
Zentrale Erfolgsfaktoren in der
Diversifizierung liegen im Bereich
„persönliche und soziale
Faktoren“. Um erfolgreich zu
sein, braucht es eine Kombination
insbesondere folgender
Faktoren (siehe Grafik): Motivation,
Interesse und Freude,
Kontaktfreudigkeit, Interesse
für Kundinnen und Kunden,
Ausbildung und eigene Fähigkeiten,
Ausdauer und Durchhaltevermögen
sowie Zusammenhalt
in der Familie.
Fast jeder Dritte bäuerliche Betrieb
möchte die Diversifizierung
in den kommenden Jahren
ausbauen. Neueinstiege in die
Diversifizierung werden von den
im Rahmen der Studie Befragten,
die noch keine Diversifizierung
betreiben, weniger angestrebt.
Aber, wer weiß ...
Die Studie
Wissenschaftliche Grundlagen
zur Diversifizierung in Österreich
sind bis dato nur spärlich
vorhanden, daher beauftragten
das Ländliche Fortbildungsinstitut
und die Arge Bäuerinnen
Österreich die Hochschule für
Agrar- und Umweltpädagogik
Wien unter Federführung von
Leopold Kirner mit der nun
vorliegenden Studie.
Die Autoren haben in der Arbeit
zunächst den Begriff Diversifizierung
definiert und abgegrenzt.
Im zweiten Schritt wurde
die wirtschaftliche Relevanz der
Diversifizierung erhoben. Basis
dafür waren die Buchführungsbetrie be
im Rahmen des Grünen
Berichts.
Schließlich wurden bäuerliche
Betriebe zur Diversifizierung im
Rahmen einer Online-Erhebung
befragt. Im Zeitraum von Mai
bis Juni 2017 gingen Antworten
von 6.104 Betrieben aus ganz
Österreich ein, darunter 2.424
Betriebe (knapp 40 %) mit
Diversifizierung. Die Befragung
ist umfangreich, im statistischen
Sinn aber nicht repräsentativ,
weil die Antworten eher von
größeren Betrieben stammen.