Sozialpartnerinnen und IV: Gemeinsam für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Gesellschaft muss umdenken - weibliche Role Models und Frauen sichtbarer machen.
Ladies Lounge Spezial am 06.07.2022
Ladies Lounge Spezial am 06.07.2022 von links Sabine Herlitschka (IV), Renate Anderl (AK), Martha Schultz (WKÖ), Maria Pein (LK), nicht am Bild Korinna Schumann (ÖGB) © Frau in der Wirtschaft/WKO
Im Rahmen der Ladies Lounge SPEZIAL von Frau in der Wirtschaft (FiW), die am 6. Juli in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) stattfand, waren mit Martha Schultz, WKÖ-Vizepräsidentin und Bundesvorsitzende von FiW, gleich vier starke Frauen auf der Bühne. Im Plenum mit Renate Anderl, Präsidentin der Bundesarbeitskammer (AK), Sabine Herlitschka, Vizepräsidentin der Industriellenvereinigung (IV) und Maria Pein, Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Steiermark, stand das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Mittelpunkt. Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende im ÖGB, musste sich leider gesundheitsbedingt kurzfristig entschuldigen. Die Diskussion führte Bernadette Hawel, Bundesgeschäftsführerin von FiW.

Gesamtgesellschaftliches Umdenken als Voraussetzung

“Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich in den vergangenen Jahren zu einem gesellschaftlichen Schlüsselthema entwickelt. Leider sind es noch immer mehrheitlich die Frauen, die den schwierigen Drahtseilakt zwischen Familie und Beruf zu meistern haben,“ betonte Martha Schultz in ihren Begrüßungsworten. Obwohl in den letzten Jahren bei den Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereits Einiges erreicht wurde, ist ein gesamtgesellschaftliches Umdenken notwendig, um die Kinderbetreuung und -bildung maßgeblich auszubauen, weiterzuentwickeln und zu verbessern.

“Kinderbetreuung und Kinderbildungseinrichtungen sind Familienthemen, dennoch sind vor allem wir Frauen damit befasst. Hier braucht es unbedingt einen gesellschaftlichen Wandel und außerdem den gemeinsamen Diskurs sowie das Engagement beider Geschlechter“, unterstreicht AK-Präsidentin Anderl.

Kritik am Festhalten der traditionellen Geschlechterrollen übt auch Maria Pein: “Gerade im Bereich der Landwirtschaft ist der Gedanke der traditionellen Geschlechterrollen noch stark verankert. Frauen sollen sich vor allem in den ersten drei Lebensjahren zu Hause um die Kinder kümmern, während der Mann die Arbeit übernimmt. Mit über 40% an weiblichen Betriebsführerinnen in der Landwirtschaft ist dieses Denken allerdings mehr als veraltet. Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen am Land ist daher wichtiger als je zuvor, um Frauen mehr Perspektiven eröffnen zu können und ihnen Mut für die berufliche Karriere zu geben.“

Die Bedeutung von Role Models und Sichtbarkeit von Frauen

Um das Umdenken in der Gesellschaft zu fördern, sollte bereits in der Erziehung auf Gleichberechtigung geachtet werden. Vor allem in der Sensibilisierung für MINT-Fächer sei laut IV-Vizepräsidentin Herlitschka bereits in der Elementarpädagogik anzusetzen. “Im Grunde genommen ist jedes Kind die geborene Naturwissenschaftlerin und der geborene Naturwissenschaftler. Jedes Kind will wissen, weswegen beispielsweise der Himmel blau ist oder wieso ein Flugzeug fliegen kann. Die Aufgabe der Bildung muss es sein, dieses Interesse aufrecht zu erhalten und die enormen Möglichkeiten der Digitalisierung und Technik greifbarer, vielleicht spielerischer zu vermitteln“, ist Herlitschka überzeugt.

Auch Martha Schultz unterstreicht, dass in jungen Jahren bereits der Grundstein für MINT-Fächer und Sprachen gelegt werden muss. Mut und Role-Models sind dabei Schlüsselfaktoren. “Frauen sollen Frauen stärken. Es ist wichtig, dass wir als Mütter unseren Töchtern schon in jungen Jahren viel Selbstbewusstsein mit auf ihren Weg geben. Aber auch später brauchen wir noch starke Vorbilder, die uns Vertrauen in unsere Ideen und Innovationen geben. Unternehmerinnen und Frauen, die Großartiges leisten und geschafft haben, müssen vor den Vorhang geholt werden. Dafür setzen wir uns mit Frau in der Wirtschaft ganz besonders ein“, betont Schultz.

Forderungen seitens der Sozialpartner und Industriellenvereinigung

Mit der neuen 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ist ein erster Schritt für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesetzt worden. Hinsichtlich der vereinbarten Zweckzuschüsse ist AK-Präsidentin Anderl allerdings überzeugt: “Die Kindergartenmilliarde, die wir immer gefordert haben und die nun umgesetzt wurde, braucht es in einem Jahr und nicht auf fünf Jahre verteilt. Erst dadurch wird die finanzielle Unterstützung, die die Bundesländer dringend benötigen, tatsächlich gewährleistet.“ Als Vizepräsidentin der LK Steiermark weiß auch Maria Pein, wie wichtig diese finanzielle Unterstützung für die Bundesländer ist. Sie unterstreicht: “Gerade für den ländlichen Raum ist der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen enorm wichtig, weil wir sehr viele kleine Gemeinden haben. Es ist unumgänglich, dass dort gute Gemeindekooperationen stattfinden. Eine finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern ist essenziell für deren Umsetzung.“

Neben der finanziellen Mittel fehlt es auch noch an Qualitätskriterien für Kinderbetreuung- und -bildung. IV-Vizepräsidentin Herlitschka fordert: “Es braucht Verantwortung für das Thema Elementarpädagogik auf Bundesebene mit einheitlichen Standards.“ Schultz pocht zudem auf den flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Sie betont: “Es soll für alle Eltern in ganz Österreich die Möglichkeit einer ganztägigen und ganzjährigen Kinderbetreuung bis zum Ende des Pflichtschulalters geben.“

Bei der Ladies Lounge mit dabei waren Doris Schmidauer, Margarete Kriz-Zwittkovits, Vizepräsidentin der WKW und Landesvorsitzende von FiW Wien sowie Johannes Kopf, Vorstand im AMS Österreich.